Im Interview mit Lexi Fleschütz
Kay, wie kamst Du zur Schriftstellerei?
Das solltest Du als meine Schwester am Besten wissen.
Mehr Professionalität bitte, das tut hier nichts zur Sache. Also?
Ich bin verliebt in Geschichten und habe schon als Kind immer Geschichten erfunden, beim Spielen für meine kleine Schwester, wie diese wissen sollte, und für die Eltern, wenn wir etwas ausgefressen hatten. Von da war es zum Aufschreiben nur ein kleiner Schritt.
Und heute erfindest Du Geschichten für Deine Mandanten?
Ein Stück weit, ja. Jeder Rechtsanwalt hat ein relativiertes Verhältnis zur Wahrheit, versucht man doch immer, die Aspekte auszuleuchten, die dem Mandanten dienen und von jenen abzulenken, die evtl. schädlich sind. Wir tasten uns an der Grenze zur Lüge entlang und spielen mit der Wahrnehmung, dem, was man als wahr annimmt oder als wahr unterstellt.
Man sagt Rechtsanwälten nach, eher trocken zu sein…
Das sagt man auch von Jura selbst. Aber auch da kommt es immer auf die Perspektive an. Doch es stimmt schon, man muss nicht wirklich flippig sein, um unter Anwälten als Paradiesvogel zu gelten.
Bist Du ein solcher Paradiesvogel?
Vielleicht. Kommt auf mein Umfeld an, nicht wahr? Aber es gibt nicht viele Anwälte, die sich wöchentlich zum Rollenspiel treffen und abendfüllend darüber diskutieren, wie man mit Zombiedelfinen oder schizophrenen Raben umgehen sollte.
Viele Juristen schreiben. Die meisten aber mit mehr Bezug zur Wirklichkeit, Sachbücher oder wenigstens Krimis oder historische Romane. Wieso ausgerechnet Fantasy?
Da fallen mir soviele Gründe ein, dass erst mal ein Sprechstau entsteht, weil alle zugleich raus wollen (lacht).
Angefangen hat es damit, dass ich im Studium bemerkt habe, dass die Juristerei meiner Sprache schadet, weil ich mir den Fachjargon angewöhnt habe. Als Gegenmaßnahme habe ich begonnen, unsere Rollenspiel-Abenteuer aufzuschreiben, ein Meister-Tagebuch sozusagen. Das war der Ur-Held. Und dann habe ich eben immer weitergeschrieben und die Geschichte entwickelt.
Aber Fantasy schreibe ich auch, weil ich Fantasy mag. Es ist für mich die reinste Form der Geschichte, der Pionier der Fantasie, der sich weiter vorwagt als jedes andere Genre.
Und dann stehe ich auf Underdogs, immer schon. Darum bin ich auch 60er Fan und nicht beim FC Bayern. Ich kann nicht verstehen, warum Kritiker über Fantasy so beharrlich die Nase rümpfen. Was sind Dante und Jules Verne denn anderes als Fantasy-Autoren? Aber egal, ich will hier kein Plädoyer halten (lacht).
Was ist das besondere am „Helden“?
Dass es mein Werk ist, auch wenn es voller Zitate steckt und seine Vorbilder nicht verleugnet. Ich denke, dass der Held verdient hat, dass man versucht, es für sich selbst herauszufinden. Aber „besonders“? Der Held ist immer für eine Überraschung gut, das gilt auch hier. Wie schon gesagt, setze ich mich sehr intensiv mit dem Dreiklang aus Wahrheit, Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinander. Der Wahrheit ist es egal, was wir mit ihr machen, aber die Wirklichkeit – also das, was wirkt – hängt allein davon ab, was wir (als) wahr (an)nehmen (wedelt dazu mit den Händen). Damit spiele ich im Helden.
Weißt Du schon, wie der Held ausgeht?
Nein, das haben mir meine Figuren noch nicht verraten.
Wie soll ich das verstehen?
Hm, mir ist es sehr wichtig, dass meine Protagonisten echt sind. Dass sie sich in dem, was sie denken, sagen und machen, richtig anfühlen. Das unterwirft den Plot Zwängen, denen ich mich beuge. Das ist sehr spannend, denn so überrascht mich die Geschichte selbst. Und es ist sehr lehrreich, denn wenn sich so verschiedene Charaktere wie meine Protas in einer so abstrakten Situation wie einem Fantasy-Setting nachvollziehbar und vergleichbar verhalten, dann bin ich womöglich einer tieferliegenden Wahrheit auf die Spur gekommen, die uns alle betrifft – und das finde ich sehr spannend. Terrorismus, Werteverfall, Realitätsflucht, Burnout… das sind alles Probleme, deren Mechanismen auch in einer klassischen Fantasywelt funktionieren.
Schreibst Du also aus therapeutischen Gründen?
So hab ich das noch nicht gesehen, aber ja – irgendwie schon. Wenn ich im normalen Leben etwas nicht verstehe, schau ich mir es gern in Kernland an. Gar nicht so selten bringe ich dann wertvolle Erkenntnisse über allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten mit zurück.
Das klingt jetzt eher philosophisch…
Das ist gut. Philosophisch gefällt mir besser als therapeutisch.
Warum schreibst Du eigentlich unter Pseudonym?
Wegen Facebook und Tante Google. Weil ich so mehr Platz in beiden Leben habe, in dem als seriöser Anwalt ebenso wie in dem als „Heldenmutter„. Sonst müsste ich Gespräche wie dieses ständig mit Mandanten wie mit Lesern führen. So ein bisschen Trennung tut da allen gut. Mein Büro ist ja auch anders eingerichtet als mein Wohnzimmer.